Kick off
Am letzten Samstag war es soweit: Der heiß ersehnte Imkerlehrgang beginnt! Schon weit im Vorjahr angemeldet um einen der wenigen begehrten Plätze zu ergattern, bin ich sehr gespannt, wie es wird.
Wie bei den meisten Logen kommt man auch nicht so mir-nix-dir-nix in die Imkerschaft. Schon die Auftaktveranstaltung legt die Hürden hoch: Anwesenheitspflicht bei sieben (In Fingern: IIIII II!) Stunden Theorie.
Man kennt das vom Marine-Corps: Da werden die Weicheier aussortiert, nur die Härtesten kommen da durch….Ich beiße also vorab schon einmal die Zähne zusammen, rüste mich mit Wasserflasche, Schokoriegel und Notizbuch und stehe pünktlichst auf der Matte.
T nulleintausen: Warm-up
10:00 Uhr:
Gemischte Runde, ca 35 Leute, Frontalunterricht. Ich wähle die erprobte Positionierung aus Schulzeiten: Reihe 2, mittig. Da hat man in der Regel gute Sicht, wird aber eher selten für Ein-Freiwilliger-nach-Vorne-Experimente erwählt.
Zu spät bemerkte ich den strategischen Fehler: Das Kaffee-Keks-Buffet ist am hinteren Ende des Schulungsraums aufgebaut, weit entfernt.
Der Schulungsleiter tritt vor und erläutert die Agenda: Anwesenheit kontrollieren, in die Wer-bekommt-Pizza-Liste-eintragen, Pausenzeiten. Er blickt in die Menge: “ Ende gegen 17:00 Uhr. Oder auch später…“ Ich blicke zurück und zucke nicht mit der Wimper.
T elfhundert: Basics
11:00 Uhr
Der Vortragende hält die imkerliche Mao-Bibel hoch: „Einfach imkern“ von Imker-Inka Dr. Liebig. Mit deutlichen Worten macht er klar, dass hier nach Liebig gelehrt wird. Unfug und Dadant wird nicht geduldet. Ich bin beruhigt, während zwei Dadant-Imker mit gesenktem Kopf beschämt den Raum verlassen.
Es wird dann das benötigte Material erläutert und vorgezeigt. Meiner eigenen Einkaufsliste gedenkend, scheine ich bisher alles richtig gemacht zu haben…
Weiter mit den Bienen-Basics, Wesen, Art, Funktion. Der Typ rechts von mir schwächelt, ihm tränen die Augen. Um den Druck zu erhöhen, hat der Vortragende den Beamer mit einer Flackerfunktion ausgestattet und offenbar eine Weichzeichner-Linse verwendet, die einen das Bild im räumlichen Dämmerlicht nur verschwommen erkennen lässt. Harter Hund.
T zwölfhundert: Essen fassen
12:00 Uhr
„Die Pizza ist da“ lässt uns auf die Beine kommen und Richtung Essensausgabe torkeln. Ich ergattere ein Stück kühle Veggi-Pizza und taumle damit blinzelnd ins Sonnenlicht.
Als es weitergeht, sind die Reihen schon gelichtet. Der Typ mit den tränenden Augen hat das Handtuch geschmissen. Und auch einige andere haben den Freigang genutzt, um sich abzusetzen.
Weiter mit der imkerlichen Praxis durch das Bienenjahr: Frühjahr, Varroa, Tracht, Ernte, Varroa, Honig, Varroa etc. Jedes Thema wird angeschnitten. Die Verfehlungen der Dadant-Imkerei werden betont und begründet. Ich lehne mich in wonniger Selbstgerechtigkeit zurück, stehen doch in meiner Garage drei Zander-Beuten bereit.
T fünfzehnhundert
15:00 Uhr
Bekannt von jedem Elternabend: Abwegige Einzelfallfragen. Hier strauchelt der Vortragende und gerät kurzzeitig in die Rhetorikfalle. Er versucht gleichzeitig die Fragen zu beantworten und durch Körpersprache und Tonfall zu signalisieren, wie dämlich die Frage eigentlich ist. Seine Gegner sind ausgebuffte Profis und hebeln ihn mit der gleichen Mühelosigkeit aus, mit der sie auch Einwände gegen den Diskussionsbedarf für (oder gegen) koscher-veganes Speiseangebot auf Klassenfahrten vom Tisch fegen.
Der Zeitpunkt ist klug gewählt. Alle schielen immer häufiger auf die Uhr, die Verteidigungsbereitschaft lässt nach. Einige stieren starr nach vorne. Links von mir läuft einer Dame ein Speichelfaden aus dem Mund. Einer, der an der Wand sitzt, ist tief und fest eingeschlafen, Kopf auf der Brust. Wohl eher Bienenkisten-Material als echte Zander-Imker.
Der Vortragende kommt wieder auf die Füße und ignoriert die Fragen so gut es eben geht. Aber der Zeitverlust ist ein herber Schlag.
Honigverordnung, Preisauszeichnungsverordnung, Loskennzeichnungsverordnung, Lebensmittel- und Hygienevorschriften. Wir sind auf der Zielgeraden, aber es ist hart.
T siebzehnhundert
17:00 Uhr
Meine Atmung geht flach und rasselnd. Obwohl der Vortragende so schnell spricht, wie er nur kann, scheint ein Ende nicht in Sicht. Jetzt rächt sich die Zwischenfragen-Weichherzigkeit.
Honig richtig rühren, richtig lagern, richtig auftauen. Prozessbeschreibung und Materialanforderung.
Mein Zunge ist pelzig, mein Kopf summt (← imkerlicher Wortwitz!), ich kann die Augen kaum noch offen halten.
Nach einer halben Stunden: „Dann bis nächsten Samstag um 11:00 Uhr zum ersten Praxis-Teil!“
Ich komme auf die Beine, habe es geschafft: Ich stehe auf der Liste, habe mich in einem ersten Ausdauertest bewiesen und habe für meine Pizza bezahlt!
Fazit
Ich hatte ja den Winter über ausreichend Zeit, Bücher und Zeitschriften zu lesen, daher hatte der theoretische Teil nicht viel neues für mich. Auch wenn es eine geballte Ladung war: Der Vortrag war gut gehalten und sauber vorbereitet. Dem Vortragenden merkt man an, dass er sein Thema mit Leidenschaft vertritt. Und hoch anrechnen muss man auch die Tatsache, dass hier fast ein ganzer Samstag auf freiwilliger Basis der Anbieter verbraucht wird. Hut ab.
Ich bin gespannt auf nächsten Samstag!
heideblitz!
Köstlich geschrieben 😉
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