Wow! Hört sich cool an. 13 Millionen Dollar! Nicht nur für Imker eine nette Summe. Bei dieser Überschrift assoziiert man gleich einen Überfall: Imker im kompletten Schutzanzug stürmen eine Bank, fuchteln drohend mit ihren Smokern und räuchern alles ein. Türmen unerkannt mit 13 Millionen Dollars. Nur ein paar honigverklebte Fußabdrücke hat beekeeping CIS als Anhaltspunkt!
Aus solchen Themen werden spektakulärste Filme gedreht!
Aber wir wollen uns jetzt inhaltlich und stilistisch wieder ein bisschen beruhigen, da die Sache einen ganz anderen Hintergrund hat:
Zwei australische Imker haben nämlich die Wabenwelt revolutioniert (wie sie meinen) und eine neue Beute ausgetüftelt. Nach 10 Jahren Bastelei haben Sie eine Crowfoundingkampagne gestartet, um 70.000 $ zusammenzubekommen. Für eine erste Serienentwicklung. Und wie dass so ist bei diesem begeisterungsfähigen Thema wurden aus den angestrebten 70.000 rapp-zapp 13.000.000. So kann`s gehen…..
Honig aus dem Hahn
Die Idee dahinter ist, Plastik-Waben einzusetzen aus denen der Honig rausläuft, ohne dass man die Wabe dafür entnehmen muss. Clever. Und wer weiß, wie pingelig Bienen mit ihren Sachen sind, bestimmt auch nicht einfach umzusetzen. Das erklärt dann auch die 10 Jahre Entwicklungsarbeit. Nach der Tüftelei folgte noch die Produktentwicklung mit 134 (!) Design-Durchläufen, bis das Bienenhaus fertig war:
Vereinfacht gesagt werden die Waben im Honigraum, die aus zwei Hälften bestehen, mechanisch von außen um ein paar Millimeter gegeneinander verschoben, so dass die Waben sich öffnen und der Honig ab- und über Rohre raus fließt.
Hier das kurze Video er Australier, in dem das System vorgestellt wird:
Flow Hive – Imken 2.0
Okay, dass ist definitiv Imkern 2.0. Aber auch wenn man die Walldorf-Mellifera-Gutmenschen-Fraktion mit Sicherheit bis nach Australien kreischen hört, fragt man sich vielleicht doch, ob die Wahrheit nicht irgendwo zwischen der Mellifera-Sinnlichkeit und der Australischen Plastikwabe liegt.

Schön, dass der Schweizer Journalist Jürg Vollmer sich bei verschiedenen Fachleuten kundig gemacht , und die Top-10 der Vor- und Nachteile ermittelt hat:
DIE ZEHN VORTEILE DES «FLOW HIVE» (AUS DER SICHT DES ERFINDERS)
- Der Imker muss sich nicht mehr vor Bienenstichen schützen.
- Die Bienen müssen nicht mehr mit Rauch aus dem Smoker «sediert» werden.
- Der Imker muss die mit Propolis verklebte Bienenbeute nicht mehr mühsam «knacken».
- Der Imker muss keine schweren Zargen mehr heben.
- Die Bienen müssen nicht mehr von den Waben gebürstet werden.
- Beim Zusammenbauen der Beute werden keine Bienen unabsichtlich zerquetscht.
- Die Honigwaben müssen nicht mehr mit einem erhitzten Messer oder einer teuren Entdeckelungsmaschine entdeckelt werden.
- Die Honigwaben müssen nicht mehr in der teuren Honigschleuder zentrifugiert werden.
- Der Imker muss keine Wachsresten und toten Bienen mehr aus dem Honig filtern – und kann sich das mühsame Putzen nach der Honiggewinnung sparen.
- Honig aus dem «Flow Hive» behält die einzigartigen Naturstoffe und Aromen, wie sonst nur Wabenhonig. In der konventionellen Honiggewinnung (Zentrifugieren in der Honigschleuder und anschliessendes Aufwärmen) werden die 400 Naturstoffe und 150 verschiedenen Aromastoffe im Honig beeinträchtigt.
DIE ZEHN NACHTEILE DES «FLOW HIVE» (AUS DER SICHT VON SCHWEIZER FACHLEUTEN)
Von mir angefragte Schweizer Fachleute honorieren die Idee des «Flow Hive», haben aber große Bedenken bei den Details. Der «Flow Hive» bringe dem Imker einige Vorteile – die aber zu Ungunsten der Bienen und der Konsumenten gehen.
- Im unteren Bereich der Wabenrahmen hat es meist halb volle Zellen, die noch von Bienen bewirtschaftet werden. Diese Bienen werden beim Auseinanderziehen der Wabenreihen wohl zerquetscht.
- In unseren Breitengraden steigt die Tagestemperatur selten auf 30 Grad, wie in Australien. Der Honig wird deshalb nie so dünnflüssig und kann darum nicht durch den Zickzack-«Kanal» abfließen.
- Honig von Raps, Heidekraut (Erica) oder Waldhonig (sogenannter Melezitose- oder Zementhonig) kandiert in der Bienenbeute und kann darum nicht durch den Zickzack-«Kanal» abfliessen.
- In den ungedeckelten Zellen im unteren Bereich der Wabenrahmen konnten die Bienen den Wassergehalt des Honigs noch nicht reduzieren. Wenn dieser Honig aus dem «Flow Hive» abgefüllt wird, hat er voraussichtlich bis 25 Prozent Wassergehalt. Deutlich über dem in der Schweiz zugelassenen Maximalwert von 21 Prozent und massiv über dem Maximalwert von 18,5 Prozent für Siegelhonig. Diese Qualitätsminderung bringt auch eine deutlich reduzierte Haltbarkeit des Honigs wegen der Fermentierungsgefahr mit sich.
- Bei der Drehbewegung werden auch die Zelldeckel zerstört. Der Honig läuft also nicht nur zick-zackförmig innerhalb der Zellen aus, sondern auch ausserhalb der Zelldeckel. Dabei werden Bienen vermutlich regelrecht im Honig ertränkt, welche die gefüllten Honigwaben pflegen wollen.
- Die transparenten Honiggläser stehen während dem Befüllen in der prallen Mittagssonne. Der Honig ist damit während mehreren Stunden Sonne und Wärme ausgesetzt, was die Honigqualität stark vermindert.
- Der «Flow Hive» kann die Qualitätsmindestanforderungen des Schweizer Lebensmittelrechtes nicht erfüllen und ist für unser Klima nicht geeignet, wenn man die Punkte 1 bis 6 zusammenfasst.
- Der «Flow Hive» erfordert konstruktionsbedingt mehr Öffnungen in den Langstroth-Beuten – durch die Wachsmotten, Wespen, Bienenstockkäfer, Ameisen und andere ungebetenen Gäste eindringen können. Zudem locken die oben offenen Honiggläser während dem Befüllen eigene und fremde Bienen an. Räuberei ist damit vorprogrammiert.
- Die von den Bienen erstellten Waben aus Bienenwachs übertragen feinste Schwingungen, welche die Bienen zur Kommunikation nutzen (nach Prof. Jürgen Tautz). Diese Kommunikation kann über den massiven Kunststoff des «Flow Hive» nicht mehr funktionieren.
- Es ist fraglich, ob die massive Kunststoffwabe des «Flow Hive» von den Bienen tatsächlich angenommen wird.
(Den kompletten Beitrag gibt es hier)
Es gibt auch in Deutschland Imker, die das Flow Hive System ausprobieren. Wenn man auf YouTube sucht, kommen einige interessante Ergebnisse zum Vorschein. Einer aus der Erfinderfamilie lebt in Berlin und hat Flow Hive live beim Imkerverein Kreuzberg vorgestellt. Hier der komplette Bericht mit detaillierten Bildern.
Letztlich wird die Zeit zeigen, ob sich das System durchsetzt oder es nur als Randerscheinung bleibt. Es gibt auch leichte Anpassungsschwierigkeiten, das System auf europäische Maße und Bedingungen anzupassen. Und es stellt sich wie immer die Frage: Was kostet der Spaß?
Was kostet der Spaß?
Das Imperator-Paket kostet aktuell im Shop ca. 650 € inklusive Steuern und Versand. Dafür hat man eine komplette Beute mit einem Brutraum und einem Honigraum und dem ganzen Flow-Gedöns.
Allerdings im australischen Rähmchen-Maß. Und ich wette, da passt nix zusammen mit dem, was man ggf. schon hat.
Es gibt auch eine Menge Einzel- und Zusatzteile, so dass man das System auch in eine bestehende Beuten-Landschaft integrieren könnte. Aber wohl nicht ohne Bastelaufwand.
Fazit
Nee, für mich wohl eher nix. Ich finde den Ansatz cool. Aber noch zu neu und unerprobt. Und auch teuer. Und ein proprietäres System produziert ja auch gerne massive Folgekosten.
heideblitz!
Hi great reading your ppost
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